Empathie im Management: Innovativer Führungsstil oder gefährliches Instrument der Manipulation?
Empathie ist im modernen Management längst kein Fremdwort mehr. Die Fähigkeit, sich in andere hinein fühlen und -denken zu können, gilt als zentrales Führungsinstrument, das einen hohen wirtschaftlichen Mehrwert mit sich bringt. Doch öffnet der neue, partizipativ-kooperative Führungsstil nicht auch der gezielten Manipulation Tür und Tor?
Nicht jeder ist gleich empathisch
Für das ursprünglich aus dem Griechischen stammende Wort „Empathie“ (empátheia= Leidenschaft) gibt es in der Fachwelt keine allgemein gültige Definition. Dennoch wird sie gemeinhin als Einfühlungsvermögen, Einfühlung und Mitgefühl verstanden - nicht jedoch als Mitleid. Empathie bedeutet, überhaupt erkennen zu können, was in dem anderen vorgeht. Es ist die, zunächst einmal völlig wertfreie, Fähigkeit zur Wahrnehmung der Gefühle und Gedanken anderer. Grundvoraussetzung ist allerdings, selber über ein ausreichendes Maß an Selbstempathie zu verfügen, also fähig zu sein, die eigenen Gefühle wahrzunehmen und benennen zu können. Für den Manager bildet die Selbstempathie die Basis seiner Selbstkompetenz und seines Selbstmanagements: Nur wer sich selber führen kann, kann auch andere erfolgreich führen. Ein Mangel an Empathie und Selbstempathie, häufig auch als „emotionale Intelligenz“ übersetzt, muss aber kein endgültiger Zustand bleiben. Ob im Marketing oder Vertrieb, mit Hilfe spezieller Schulungen kann heute jeder an der Verbesserung seiner eigenen Empathie und damit sozialen Kompetenz arbeiten.
Ideale Empathie: Gleichgewicht von Nähe und Distanz
Wer von empathischen Managern spricht, meint häufig, dass diese zu jedem nett und für alles und jeden zuständig sein sollen. Grundsätzlich gilt jedoch immer noch, dass jeder seine eigenen Probleme lösen muss. Hilfreich ist hier die Unterscheidung zwischen kognitiver und emotionaler Empathie nach Paul Ekman (1): Erstere lässt uns erkennen, die zweite fühlen, was der andere fühlt. In einer typischen Verhandlungs- oder Verkaufssituation ist vor allem die kognitive Empathie gefragt – niemand möchte sich etwa allein aus Mitgefühl oder gar Mitleid zu einer Vereinbarung hinreißen lassen, die man nachtäglich bedauert. Im Berufsalltag bedeutet dies, ein gutes Mittelmaß zwischen kognitiver und emotionaler Empathie anzustreben, also ein Gleichgewicht von Nähe und Distanz zu wahren. Aufrichtigkeit, Respekt und Vertrauen bilden dafür die Basis.
Wenn professionelle Empathie gefährlich wird
Rita Gunther McGrath nimmt in Anlehnung an ihren Kollegen Ian MacMillan an, dass wir bereits in das neue „Management-Zeitalter der Empathie“ eingetreten sind (2). Tatsächlich gehörte die Empathie bis in die 90er Jahre hinein nicht zu den primären Führungsanforderungen im Management. Und immer noch – und wieder - werden mitfühlende Vorgesetzte in vielen Unternehmen als Schwächlinge angesehen. Mehr noch, die Empathie sei heute wieder auf dem Rückzug und gerade in den oberen Etagen feierten Konkurrenzdenken und Narzissmus fröhliche Urständ. (3) Empathie- und Durchsetzungsfähigkeit müssen sich jedoch nicht ausschließen, wenn die oben erwähnte Balance zwischen Nähe und Distanz stimmt. Wer den stärker werdenden Ruf nach mehr Empathie aber dazu benutzt, um Mitarbeiter oder Handelspartner auszukundschaften, unter Druck zu setzen und damit für seine Zwecke zu manipulieren, missbraucht sein Einfühlungsvermögen. Arthur Ciaramicoli unterscheidet hier treffend zwischen authentischer Empathie und funktionaler Empathie, die sich manipulativer beziehungsweise ausbeuterischer Ziele bedient (4). Ein rein funktional empathisch handelnder Manager wird also zum sprichwörtlichen Wolf im Schafspelz: er hängt weiter dem „Raubtierkapitalismus“ an, dem alten und längst überholten Führungsstil al la Machiavelli, nach dem erlaubt ist, was nützt.
Erfolg im Business: Von Menschen für Menschen
Von Egoismus, Misstrauen, psychopathischer Kaltblütigkeit und maßloser Gier getriebene Führungskräfte haben heute ausgedient. An vielen vergangenen und gegenwärtigen Beispielen ist abzulesen, dass unter rein hierarchisch und betriebswirtschaftlich agierenden Chefs nicht nur die Mitarbeiter leiden, sondern auch die Wirtschaft selbst. Verantwortlich, authentisch und human agierende Topmanager handeln dagegen Mitarbeiter- und Aufgaben orientiert. Mit ihrem Mehr an echter Empathie und innerer Gelassenheit verbessern sie vor allem das Betriebsklima: ein motivierter Mitarbeiter leistet um ein Vielfaches mehr als derjenige, der lediglich die Anordnungen seines Vorgesetzten ausführt. Und mit diesem Mehr an Leistung kann der moderne Topmanager, der heute allzu oft auch als Krisenmanager fungieren muss, gleichzeitig die Bilanzen steigern - ein in Zeiten von sich global stetig verändernden Märkten entscheidender Wettbewerbsvorteil.
Quellen:(1) http://www.annaschoch.de/wordpress/?p=109
(2) http://www.harvardbusinessmanager.de/blogs/manager-brauchen-neuen-fuehrungsstil-a-987288.html
(3) http://www.empathieakademie.de/empathie-30-ein-ausweg-aus-dem-empathie-paradoxon/
(4) http://www.annaschoch.de/wordpress/?p=109
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