Einkaufsorganisationen im Mittelstand: Cost- oder Profit-Center?
"Einkauf: Rund um den Kirchturm"?
Diese Frage stellte die Wirtschaftswoche schon 2003 im Hinblick auf eine Studie der Universität Köln und der Unternehmensberatung Masai. Danach ergeben sich erhebliche Unterschiede, je nach Standort der betrachteten Unternehmen. In Frankreich waren es ca. 25%, in Spanien ca. 33% der untersuchten Unternehmen, die einen Großteil ihres Bedarfs jenseits der Landesgrenzen deckten. In Deutschland waren es zu dieser Zeit magere zwei Prozent der Unternehmen, die mehr als 75% ihres Einkaufs im Ausland tätigten.
Zugegeben: In deutschen Großunternehmen hat sich seitdem einiges getan und die meisten sind zwischenzeitlich relativ gut aufgestellt. Im Mittelstand stellt sich dies, auch nach jahrelangen Diskussionen und wiederkehrendem Austausch von Binsenweisheiten wie: "Im Einkauf liegt der Gewinn!", nach wie vor ganz anders aus, was sicherlich auch eine Frage der Ausbildung war und ist. Zur Zeit der o.g. Studie verfügten 75% der französischen und 19% der spanischen Einkäufer(innen) über einen Hochschulabschluss. In Deutschland waren es erneut magere vier Prozent (in 29% der betrachteten Unternehmen).
Hat sich dies bis heute geändert? Schauen Sie einmal in Ihrem eigenen Unternehmen nach! Meine persönliche Erfahrung in mehr als zehn unterschiedlichen Einkaufsorganisationen zeigen keinen nennenswerten Fortschritt. Überalterung ist ein weiteres oft anzutreffendes Phänomen.
Überalterte Zahlen? Mitnichten! McKinsey schaute in Kooperation mit dem Supply Management Institute (SMI) der European Business School im Jahr 2007 noch einmal nach und kam zu dem Schluss, dass gute Einkaufsorganisationen im Schnitt viermal so hohe Einsparungen erzielten wie die schwachen (Einspareffekte von 4% mit einer EBITDA-Marge von 16,5% im Vergleich zu 1,1% und 11,6%).
Die Fähigkeiten und Einstellungen der Mitarbeiter wurden hier wieder als die wesentlichsten Erfolgsfaktoren genannt (bis zu 40%).
Soviel zu den sogenannten harten Faktoren wie Ausbildung u.a. Ein weiterer, aus meiner Sicht mindestens ebenso wichtiger Faktor sind die weichen Faktoren. Einkäufer(innen) sollten offene, neugierige und unabhängige Mitarbeiter sein, die jederzeit bereit sind über ihr eigenes Aufgabengebiet hinaus zu denken und aktiv zu werden. Crossfunktionales Denken und Handeln sowie „die Rotation innerhalb des Einkaufs" sind dabei nicht wegzudenken. In Großunternehmen mehr und mehr an der Tagesordnung, im Mittelstand nach wie vor eher verwaist. Jahrelanges Verharren in einem Aufgabengebiet fördert eben auch einen Naturinstinkt des Menschen: Sich gemütlich einzurichten und damit einzuschlafen, was noch nicht einmal als Vorwurf gegen die handelnden Akteure sondern eher in Richtung des bestimmenden Managements gemeint ist.
All das können natürlich nur Organisationen und Menschen leisten, die von der Wichtigkeit Ihrer Leistung überzeugt sind. Das heißt, dass sich der Einkauf nicht nur in der traditionellen Rolle als Bestellabwickler versteht, dies erzeugt bestenfalls Stillstand. „Eine moderne Beschaffungsorganisation schafft die notwendigen Voraussetzungen, um die Weichen auf nachhaltige Renditesteigerungen zu stellen". (Erfolgsgarantie Einkaufsorganisation, Gerd Kerkhoff)
Klaus Peters
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